Die Versuchung ist groß, einen weiteren Beitrag zur aktuellen Diskussion um die möglicherweise protektive Wirkung von Nikotin im Bezug auf COVID-19 zu leisten. Oder, ob Zigaretten zur Grundversorgung der Bevölkerung gehören sollten, was in Indien und Südafrika zur Zeit ja bestritten wird. Das wären aktuell oben anliegende Themen. Stattdessen möchte ich Rauchen und COVID-19 aus einer allgemeinen Krisenperspektive heraus betrachten und zwei weitere Aspekte aufgreifen: Schluss machen mit dem Rauchen und E-Zigaretten als weniger schädliche Alternative zum Rauchen.
Wird die COVID-19-Krise dazu führen, dass Raucher vermehrt damit Schluss machen?
In The Lancet, einer der renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften der Welt, geht Richard von Zyl-Smit auf die Schwierigkeiten ein, wissenschaftlich fundierte Aussagen über mögliche Wechselwirkungen zwischen Rauchen, Nikotin und einer Infektion mit COVID-19 zu machen. Schlussendlich sei es in jedem Fall eine gute Idee mit dem Rauchen aufzuhören, aber es sei zu bezweifeln, dass Raucher diesen Schritt gerade jetzt in der Krise in Erwägung ziehen werden. Im Gegenteil, sie zahlen sogar mehr dafür (in Südafrika ist Zigarettenhandel zur Zeit illegal, d.h. es gibt im Moment nur teurere Schmuggelware) weil die Krise mehr Stress, zB Angst um den Job, oder Langeweile mit sich bringt. Das sind typische Erklärungen, die Raucher als Grund für das Rauchen angeben. Auch sei zu beobachten gewesen, dass in der Finanzkrise 2008 Tabakaktien sogar gestiegen seien. Ich bin gespannt, was das „Jahrbuch Sucht“ der DHS 2021 sagen wird über die Verbrauchszahlen bei Zigaretten in Deutschland.
Schluss machen mit dem Rauchen – wie geht’s am besten?
Seit 1964 ist das Rauchen ein großes Thema im Bericht des Leiters der obersten Gesundheitsbehörde der USA, des „Surgeon General“. Bisher ging es um alle erdenklichen Aspekte der Schädlichkeit des Rauchens. Erstmals im Januar 2020 ging der Bericht auch darauf ein, wie man am besten vom Rauchen wegkommt. Am aussichtsreichsten sei es mit verhaltenstherapeutischen Ansätzen. Herzlich Willkommen bei FUMITO!
E-Zigaretten als weniger schädliche Alternative zum Rauchen?
Dampf und „angeheizter“ Tabak (IQOS) sind die delivery devices, die Nikotin-Transporter der Zukunft, wenn es nach den Tabakkonzernen geht. Hier sind die Margen größer als bei herkömmlichen Zigaretten und vielleicht lässt sich das eine oder andere Verbot mit diesen Dingen umgehen. Vielleicht ist Dampfen und Iquieren … keine Ahnung, wie ich „angeheizten-Tabak-rauchen“ nennen soll … weniger sozial unakzeptabel als Rauchen. Auf jeden Fall sind diese Produkte Teil der übergreifenden Strategie, totale Verwirrung zu stiften. Tabakkonzerne preisen das Zeug als „gesündere Alternative“ zum Rauchen an. Diese Behauptung wird belegt mit Studien, die eben diese Konzerne selbst haben anfertigen lassen. Das kann nur ein Witz sein, aber auf der Gegenseite, in Gesundheits- und Verbraucherschutzbehörden tut man sich schwer, es einfach zu ignorieren. Wenn es weniger schädlich ist, heißt es stattdessen, sollte man es Rauchern empfehlen und keinesfalls verbieten oder zu stark regulieren. Mit diesem Denken landen wir allerdings in einem ethischen Dilemma, sagt der schwedische Philosoph Kalle Grill. Es läuft darauf hinaus, dass wir den möglicherweise für gegenwärtige Raucher reduzierten Schaden gegen den möglicherweise erhöhten Schaden künftiger Vaper wägen.
Viel Spaß beim weiteren Nachdenken wünscht,
Peter Bußjäger
Quellen:
https://www.thelancet.com/journals/lanres/article/PIIS2213-2600(20)30239-3/fulltext, https://jamanetwork.com/journals/jama/fullarticle/2766526, https://academic.oup.com/ntr/advance-article/doi/10.1093/ntr/ntaa085/5846158.