Rauchen im Film 1

In den 1990er Jahren wurde bekannt, dass Schauspieler mitunter gewaltige Gagen dafür erhalten, wenn sie Zigaretten in ihren Filmen benutzen. Legendär ist der Vertrag zwischen Sylvester Stallone und dem später mit BAT (British American Tobacco) und J.P. Reynolds fusionierten Tabakmulti Brown & Williamson aus dem Jahr 1983. Stallone ließ sich das Benutzen einer einzigen Zigarette mit 100.000,-- US-Dollar bezahlen – was für ein Geschäftsmann! Seitdem ist es schwer geworden, an eine erzählerische Notwendigkeit des Rauchens für die Geschichte oder an künstlerische Freiheiten der Drehbuchautoren zu glauben.

 

Es scheint den Tabakfirmen also einiges wert zu sein, wenn im Film geraucht wird. Warum das so sein könnte, wollen wir in diesem BLOG-Beitrag betrachten. Schauen wir uns zunächst ein paar aktuelle Beispiele für „Rauchen im Film“ an:

 

In Krimis wurde schon immer gern geraucht. Das ist heute so wie in den 1950er Jahren. Unsere Beispiele stammen aus der Serie „München Mord“, die im ZDF ausgestrahlt wird, und aus den Serien „Mankells Wallander“ und „Tatort“, die in der ARD zu finden sind.

 

In „München Mord“, Folge 11 (Titel: Ausnahmezustand), wird an zwei Stellen sehr bildmächtig geraucht. Beim ersten Mal geht es darum, dass eine der Hauptpersonen einen Schicksalsschlag kassiert hat. Unmittelbar danach lässt sie die Welt um sich herum im „blauen Dunst“ versinken.

 

Text und Mimik hätten gereicht, um die Botschaft zu übermitteln. Die zweite Stelle zeigt eine Kellnerin, die dem Ermittler ein paar mehr oder weniger aufschlussreiche Dinge erzählt – ob sie dabei nun raucht oder nicht, was sollte das ändern? Für die Geschichte ist es also vollkommen egal, ob es mit oder ohne Kippe passiert.

 

Beim nächsten Beispiel handelt es sich um die Figur „Wallander“. Dieser Kommissar raucht gerne mal am Ende der Folge, wenn alles schon passiert ist. Es fragt sich, warum er da überhaupt noch qualmen muss. Manchmal sieht es noch dazu fast so aus, als sei der Schauspieler ein Nichtraucher – oder wer kennt einen Raucher, der pafft? Es bleibt ein Eindruck zurück, als sei die Raucherei schon sehr an den Haaren herbeigezogen.

 

Geradezu ikonisch für die Darstellung einer Raucherin ist die Figur der Staatsanwältin im „Tatort“ aus Münster. Ihre Rolle in der Geschichte ist immer und immerzu dieselbe: am Anfang widerspricht sie, wenn die Ermittler zB einen Durchsuchungsbefehl brauchen, am Ende lobt sie die Ermittler, wenn der Täter gefasst ist. Interessanter ist ihr Rauchen – sie genießt es, sie macht es heimlich, sie versucht aufzuhören, sie steigt um auf E-Zigarette, sie schnorrt bei einem Verdächtigen und bietet dafür Vergünstigungen an, es kommt sogar so weit, dass sie einen Nichtraucherkurs als Beitrag zu einer Wohltätigkeitsveranstaltung anbietet (das passiert in Folge 29: „Ein Fuß kommt selten allein“) … was sofort ins Lächerliche gezogen wird.

 

Aber nicht nur in Krimis wird Rauchen inszeniert, auch Liebesgeschichten können ein schöner Hintergrund sein. Unser Beispiel: „Ein vorbildliches Ehepaar“ (Komödie). Hier gelingt das Kunststück, Rauchen ohne Zigaretten in Szene zu setzen. Gleich zu Beginn unterhält sich ein Ehepaar im Wartezimmer des Scheidungsanwalts darüber, dass der gemeinsame Sohn beim Rauchen erwischt wurde … was dann verharmlost wird. In einem weiteren Dialog, zwischen Ärztin und Patient, kommt es zum unvermeidlichen Rat, das Rauchen doch aufzuhören. Der Patient erklärt dann, dass er das Rauchen im Moment nicht aufgeben könne, da sich seine Frau gerade von ihm getrennt habe … was für die Ärztin eine quasi zwingende Erklärung ist.

 

Es wird aber auch mit Zigaretten Rauchen dargestellt, teilweise ganz lebensnah – oder was würden Sie sagen, wenn eine Person, der Sie Unterschlupf für eine Nacht gewähren, in Ihrem Nichtraucherhaushalt raucht? Sie würden es … als toleranter Nichtraucher … vermutlich gerne gestatten, wie im Film eben!

 

Rauchen zieht sich durch diesen Film wie ein Bühnenbild, es ist immer da, man ist nicht darauf konzentriert, aber man kann es auch nicht ausblenden. Wir finden das recht auffällig.

 

Das sind erst mal ganz einfache Beobachtungen. In der Summe ergibt sich jedoch ein gewisses Bild. Zumal, wenn man genauer hinschaut und die erwähnten Beispiele als Bildungsprogramm betrachtet! Die Botschaften sind: Rauchen hilft („München Mord“: bei Schicksalsschlag, „Ein vorbildliches Ehepaar“: bei Trennung), Rauchen ist harmlos („Ein vorbildliches Ehepaar“: Gespräch über den Sohn), Rauchen kann man kaum aufhören (die Staatsanwältin an vielen Stellen im „Tatort“ aus Münster), Rauchen ist eine Belohnung (zB „Wallander“).

 

In einer Zeit, in der die legalen Möglichkeiten, für Zigaretten zu werben, eingeschränkt werden, tauchen plötzlich wieder vermehrt im Film rauchende Personen auf. Natürlich würden wir niemals unterstellen, dass auch heute noch Filmproduktionen oder Schauspieler sozusagen „geschmiert“ werden. Aber beobachten lässt es sich nun einmal, dass die Zahl der Rauchszenen wieder zunimmt. Wenn das nun doch irgendwie – sagen wir: gesteuert wäre, dann wäre das doch eine recht hinterhältige Form der Propaganda, oder nicht? Es würde bedeuten, der Bildkonsument wüsste überhaupt nicht, dass er umworben wird und würde den Vorgang schon deshalb nicht kritisch betrachten – was er bei normal erkennbarer Werbung wahrscheinlich tun würde. Er würde dann wahrscheinlich in Erwägung ziehen, dass die Darstellung eines Produktes eventuell stark positiv überzeichnet sein könnte, und deshalb dem Produkt kritischer gegenüberstehen.

 

Belassen wir es für den Moment dabei. Das Thema werden wir weiter verfolgen.

Ihr Peter Bußjäger